Wahrscheinlich hast du Wörter wie „beispiellos“ oder „ohnegleichen“ in diesem Jahr so oft gehört wie nie zuvor. Es war ein Jahr der Superlative; meistens schlechte, aber auch ein paar verdammt gute. Im Grunde wurde jedes Rennen abgesagt (das ist schlecht). Aber der Mangel an offiziellen Wettkämpfen trieb die Eliteläufer dazu, Rekorde für die „Fastest Known Time“ auf weltbekannten Strecken zu brechen (das ist verdammt cool). Eine FKT - Abkürzung für „Fastest Known Time“ - ist die schnellste nachweisbare Zeit, in der jemand eine Strecke zurückgelegt hat. Diese Form von Solo, gegen die Uhr, ist im Grunde genommen wie für 2020 gemacht und es gab hunderte von neuen Rekorden auf der ganzen Welt. Wir haben sechs der besten FKTs des Jahres 2020 ausgewählt, mit den Sportlern gesprochen, die sie aufgestellt haben und den britischen Künstler Owen Delaney gebeten, uns dabei zu helfen, diese beeindruckenden Läufe zu illustrieren.
Die besten FKTs des Jahres 2020
Die TRT FKT
Der Tahoe Rim Trail (oder TRT) in Nordkalifornien ist 170 Meilen (274 Kilometer) lang und die Fastest Known Times sind mit erheblichem Schlafentzug verbunden. Eine FKT von 37 Stunden und 12 Minuten bei den Männern hat Adam Kimble im Juli dieses Jahres erreicht und damit den 11 Jahre alten Rekord von Kilian Jornet gebrochen. Adam sagte: „Meine härtesten Stunden auf dem Tahoe Rim Trail kamen während der Nacht, als mir alle Energie fehlte und ich die Meilen in meinen Beinen spürte. Ich wollte mehrere Male das Handtuch werfen, aber dann sagte ich mir: „Nur noch ein Schritt, und dann noch einer ...“, bis ich es mit meiner Crew zur nächsten Versorgungsstation schaffte. Aber dann begann alles zu meinen Gunsten zu arbeiten, und Stunden später stand ich an der Ziellinie. Es war so eine Genugtuung, dieses nahezu unmögliche Unterfangen, das ich fast aufgegeben hätte, tatsächlich durchgezogen zu haben!
Dieses Jahr hat sich Adam voll und ganz darauf konzentriert, das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Er hatte ja plötzlich viel mehr Zeit zur Verfügung, was dazu führte sich an der TRT FKT zu versuchen. „Meine positive Einstellung hat dafür gesorgt, dass ich trotz abgesagten Wettkämpfen, Waldbränden, Streckensperrungen und so vielen anderen Herausforderungen, Spaß am Laufen hatte. Es war nicht immer einfach, aber ich habe mein Bestes gegeben!“


Corrine Malcolm brach die FKT der Frauen im Oktober mit einer Zeit von 44 Stunden und 51 Minuten. Dabei hätten die Waldbrände in Kalifornien ihr Ziel fast vereitelt. „Ursprünglich wollte ich Ende August zum TRT aufbrechen, wurde aber durch den Rauch davon abgehalten. Ich habe das Datum dann auf September verschoben doch die Nationalparks mussten die Trails schließen [wegen extremer Feuergefahr]", sagte Corinne. Als Ende Oktober endlich die perfekten Bedingungen kamen, war sie sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt bereit war, die FKT herauszufordern und hoffte einfach nur den Lauf durchzustehen. „Es war so unglaublich ermüdend, so oft wieder von vorne beginnen zu müssen, dass ich Witze darüber machte, dass ich wirklich optimal tapered war (Tapering bedeutet vor einem Wettkampf das Training zu reduzieren), als wir an jenem Sonntagmorgen starteten.“
Über zwei volle Tage hinweg meisterte Corrine fast jede denkbare Herausforderung, der sich Läufer stellen müssen. „Ich lag so weit vorne in der Zeit, dass ich meine Crew auf Meile 41 (Kilometer 66) um 10 Minuten geschlagen hatte. Bei Meile 52 (Kilometer 84) musste ich mich plötzlich übergeben. Mein Pacer dachte, er hätte mich bei Meile 56 (Kilometer 90) verloren, als er anhielt, um Wasser zu filtern, und ich auf dem Trail in den Sonnenuntergang ging. Um Stunde 32 herum begann ich zu halluzinieren (ich war davor noch nie länger als 22 Stunden gelaufen). Nach Meile 80 (Kilometer 129) konnte ich auf dem Trail kaum mehr etwa essen, weil meine Kehle von der trockenen Luft und dem Staub so schmerzte, und erst nach Meile 100 (Kilometer 161), als ich meine Crew erblickte, wechselte ich auf flüssigere Kalorien und Instant-Kartoffelpüree... trotz der Strapazen wollte ich weitermachen, und dachte überhaupt nicht daran aufzugeben.“
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FKT von Küste zu Küste
Die „Mare a Mare Sud“ ist die kürzeste Durchquerung der französischen Insel Korsika von einer Küstenseite zur anderen. Eine beliebte Wanderroute für Touristen, die in der Regel fünf Tage dauert, inklusive Übernachtung in Hotels die auf dem Weg liegen. Es ist keine so berühmte Route wie der GR20 (der von Norden nach Süden führt), aber mindestens genauso atemberaubend! Vincent Viet, ein Outdoor-Enthusiast aus Annecy, und Guillaume Peretti, ein gebürtiger Korse und außerdem eine lokale Legende, hatten keine Zeit, in Hotels einzukehren, da sie die 83 km in rekordverdächtigen 10 Stunden und 4 Minuten zurücklegten.
„Die Absage der Wettkämpfe und der Lockdown waren weniger Rückschläge, als viel mehr Gelegenheit, über neue Herausforderungen nachzudenken. Ich konnte mir die Zeit nehmen, Dinge zu tun, die ich schon lange tun wollte. Eine Karte öffnen, eine Linie zeichnen, die Höhe analysieren und mir vorstellen dort zu laufen,“ sagte Vincent.

Nicht nur, dass das Duo den Weg in Rekordzeit zurückgelegt hat, sie haben es auch in der heißesten Zeit des Jahres geschafft. Eine Hitzewelle sorgte für Temperaturen von über 40 °C gegen Ende ihres Laufes. Vincent erinnerte sich: „Der letzte Anstieg war auch der schwerste, fast 900 Höhenmeter nach 60 km zurückgelegter Strecke, während das Thermometer immer weiter nach oben zeigte. Die letzten Kilometer waren ziemlich schwierig und wir mussten konzentriert bleiben, um den Kurs zu halten und uns trotz der drückenden Hitze und Müdigkeit nicht zu verlaufen.“
Guillaume sagte: " Die wichtigste Motivation für mich war, meine Leidenschaft für die Berge ausleben zu können, ohne sich von der Zeit zu sehr unter Druck setzen zu lassen, gleichzeitig aber auch den Willen zu besitzen, mich selbst zu überbieten.“ Das Erstellen dieses FKT-Projekts half dem Duo, durch ein herausforderndes Jahr motiviert zu bleiben.
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FKT-Reise durch Japan
Dieses Jahr machte sich der japanische Ultraläufer Ruy Ueda daran, eine FKT in jeder einzelnen Präfektur Japans aufzustellen. Seit September hat der Skyrunner-Weltmeister auf seiner FKT-Reise durch Japan kontinuierlich Segmente erstellt, damit andere Läufer seine FKTs nun herausfordern können. Ursprünglich hatte er geplant, nach Frankreich zu ziehen um dieses Jahr an der Skyrunning World Series teilzunehmen, aber stattdessen nutzte er die Gelegenheit, sein Heimatland zu erkunden.
„Die größte Herausforderung in diesem Jahr war es, die eigene Motivation aufrecht zu erhalten,“ sagte Ruy. „Während das Land in den Ausnahmezustand versetzt wurde, war die Situation besonders schwierig, und erst als diese Notlage aufgehoben war und ich wieder in die Berge gehen durfte, spürte ich, wie mein Körper und meine Motivation zurückkamen. Natürlich wollte ich auch alle anderen Läufer in Japan motivieren – deshalb habe ich die FKT-Reise durch Japan überhaupt erst begonnen.“


Einer von Ruys beeindruckendsten Läufen ist ein „Out-and-Back“-Rekord auf Oyamakake in Akita, einer Provinz im Norden Japans. Der 20 km lange Lauf beginnt an der Statue von Namagahe und von dort geht es den Berg hinauf. „Man hat einen tollen Panoramablick auf das Meer, kurz vor dem höchsten Punkt der Strecke. Auf dem Rückweg fühlt es sich an, als würdest du direkt ins Meer springen“, sagte Ruy. Vor dem Gipfel kommt erst der Kintori-Hügel (was frei übersetzt „der Eiergrabscher" bedeutet). Ruy erklärt. „Er trägt diesen Namen, weil der Hügel so steil ist, dass man auf die Eier des Typen vor einem starren muss, wenn man hinaufklettert. Kein Witz, es ist buchstäblich so steil und das Gelände ist auch unglaublich anspruchsvoll.“ Vielleicht erklärt das, warum Ruy diese FKT solo gegangen ist?
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Nach dem Himmel greifen
Der Kampf um die „Boulder Skyline Traverse FKT“ war dieses Jahr besonders hart, da es sich um ein „Golden Segment“ handelte, das dem Rekordhalter das Recht einbringt, an den “Golden Trail Championships“ auf den Azoren, Portugal, teilzunehmen (inklusive Transport- und Unterkunftskosten). Die 28 Kilometer lange Strecke hat fast 1.829 Meter Höhenunterschied und befindet sich immer mindestens 1.524 Meter über dem Meer, was sie für die Skyrunning-Meisterschaft qualifiziert. Laut fastestknowntimes.com wurde der Rekord in diesem Jahr acht Mal bei den Männern und sechs Mal bei den Frauen gebrochen, sowohl in assistierten als auch in nicht assistierten Rennen.
Bailey Kowalczyk hat im September den Rekord bei den Frauen aufgestellt, während sie im Mai eine Stressfraktur des Kreuzbeins erlitt (die zweite in sechs Monaten). „Ich war am Boden zerstört durch diesen Bruch, aber ich habe auch viel daraus gelernt. Um mich davon zu erholen, musste ich viel körperliche und geistige Kraft aufbauen und später einsetzen. Es war ein Eye-Opener für mich, in der Lage zu sein zwei harte Schläge in einem Jahr wegstecken zu können.“


„Ich war gezwungen, mich mit den Schwachstellen in meinem Training aber auch in meinem Lebensstil auseinanderzusetzen. Es war wirklich schwer für mich, mich einigen meiner inneren Dämonen zu stellen, und wenn diese Verletzung nicht gewesen wäre, hätte ich alles getan, um es zu vermeiden.
Durch diese Ohrfeigen habe ich gelernt, auf mich selbst aufzupassen. Diesmal hielt es mich in den schwierigsten Momenten des Rennens motiviert. Jedes Mal, wenn ich meine Laufschuhe anziehe, sage ich mir, dass ich glücklich sein sollte, dass ich überhaupt laufen und unseren wunderschönen Planeten erkunden kann! Ich möchte weiterhin meine Grenzen testen, egal ob es offizielle Wettkämpfe gibt oder nicht!“
Joe Gray, der männliche FKT-Inhaber, drückte ein ganz ähnliches Gefühl aus, als er gefragt wurde, was ihn dieses Jahr motiviert hat: „Einfach nur am Leben zu sein und zu atmen ist für mich Motivation genug. Wir existieren nicht ewig, also versuche ich, das Beste aus der Zeit zu machen, die ich habe.“
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Eine extrem exponierte FKT
Mit 2713 m ist der Große Watzmann der höchste Gipfel der sich vollständig in Deutschland befindet und damit eine äußerst beliebte Klettertour. Die allermeisten werden die technisch am wenigsten anspruchsvolle Besteigung wählen (was in diesem Fall bedeutet, dass sie einfach keine Seilkletterei erfordert): Die Watzmann-Überschreitung ist eine 26 km lange Schleife, für die die meisten Wanderer zwischen 10 und 14 Stunden benötigen. Auf halber Höhe des Berges gibt es eine Hütte, an der die Wanderer oft anhalten, um die Reise in zwei kürzere Tagesetappen zu unterteilen. Anton Palzer benötigte keinen Übernachtungsstopp, als er Anfang dieses Sommers eine FKT von 2 Stunden und 47 Minuten setzte.
Anton beschrieb die Route in vier Teilen: „Teil Eins: 2000 m geradewegs auf den Gipfel des Hochecks - alles geben! Teil Zwei: Die Überquerung des Watzmanngrats. Technisch, exponiert und man sollte auf der harten Steigung definitiv nicht wackelig oder beschwipst unterwegs sein. Es ist ganz klar eine No-Fall-Zone!
Teil Drei: Der lange Abstieg zum Wimbachgries, 1100 m gerade und steil abwärts. Teil Vier: 10 km flach zurück zum Ausgangspunkt. Hier muss man sich beeilen. Es geht leicht bergab, meistens auf einer schönen Schotterpiste, den Schmerz und die Krämpfe gilt es zu ignorieren um einfach nochmal aufs Ganze zu gehen!“

Auf diesem Lauf konnte er zwar die Szenerie nicht bewundern, aber der deutsche Ultraläufer lebt ohnehin in der Nähe des Großen Watzmanns und trainiert regelmäßig auf ihm. Für ihn war dieses Jahr eine Gelegenheit, seine Heimatstrecken noch besser kennen zu lernen. „Ich habe die freie Zeit ohne Wettkämpfe für ein ausgiebiges Training zu Hause genutzt, und ich muss zugeben, dass ich dies sehr genossen habe. Zu Hause zu sein, ist für mich etwas Besonderes. Während einer normalen Wettkampf-Saison kostet das Reisen viel Zeit ... Zeit die mir mit meiner Familie zuhause leider fehlt.
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100 Meilen und 4 Fische
OK, das hier ist keine FKT im traditionellen Sinne der Abkürzung, aber es ist einfach verdammt cool. Flyathlon kombiniert Laufen und Angeln, und der Chefredakteur von iRunFar, Bryon Powell, hat den „Sport“ auf eine ganz neue Ebene gebracht. „Nachdem aufgrund von Covid-19 meine beiden großen Wettkämpfe, die ich für das Jahr geplant hatte, abgesagt wurden, hat mich das Fliegenfischen wirklich inspiriert. Insbesondere die Troutman-Challenge, bei der man mindestens einen Marathon laufen, mindestens 3.000 ft. (914 m) klettern, den „Colorado Grand Slam of Trout“ (vier Fische verschiedener Forellenarten) fangen und innerhalb von 12 Stunden ein 12-prozentiges Bier trinken muss. „Scouting for Troutmans“ brachte mich an abgelegene Orte, an denen ich noch nie gewesen war, und meine insgesamt 12 Versuche sorgten dafür, dass ich sehr viel Zeit in den Bergen verbrachte.“
Bei seinem letzten Versuch erhöhte Bryon den Einsatz mit dem weltweit ersten Troutman 100. Die Regeln blieben die gleichen – er fügte nur einige zusätzliche Meilen davor und danach hinzu. „Nachdem ich in den vorangegangenen 8 Stunden über 45 Meilen (72 Kilometer) auf dem Asphalt gelaufen war und meine beiden Arschbacken schmerzten kam ich an meinem ersten Angelplatz an. Ich war mir sicher, dass ich in den nächsten 12 Stunden einen Marathon laufen könnte, um den Troutman zu absolvieren, aber ich hätte nie gedacht, dass mein Tag dann erst nach insgesamt etwa 70 Meilen (113 Kilometer) enden würde.“


Die ersten paar Fische bissen relativ schnell, aber eine der Arten, die Bryon für die Herausforderung fangen musste, wollte einfach nicht an die Angel. „Nachdem ich stundenlang versucht hatte, eine Cutthroat-Forelle in Chalk Creek zu fangen, machte ich einen letzten Versuch in Baldwin Lakes. Ich musste schnell sein, um die hoch gelegenen Seen noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Ich gab alles und war überrascht, wie viel von dem felsigen, 2.400 ft. (732 m) hohen Anstieg ich in den nächsten 80 Minuten zurücklegte, wozu auch einige Angelversuche im Bach entlang des Weges gehörten. Glücklicherweise fing ich dann meinen letzten noch fehlenden Fisch in einem der Seen.“
Kurz danach wurde es Nacht. Bryon hatte alle seine Fische gefangen, aber er hatte noch 30 Meilen (48 Kilometer) vor sich, wenn er den ersten Troutman 100 vollenden wollte. Seine Motivation war von etwas größerem bestimmt. Er wollte Geld für „Running Rivers“ sammeln, eine gemeinnützige Organisation in Colorado, die sich für die Erhaltung gesunder Süßwasser-Ökosysteme einsetzt und die Idee des Flyathlons ins Leben gerufen hatte. „Nach Einbruch der Dunkelheit, irgendwo im Bereich von 80-Meilen (129 Kilometer), ließ meine Motivation nach. Glücklicherweise erinnerte ich mich daran, dass jemand einen Dollar für jede gelaufene Meile versprochen hatte, also ging ich weiter.“
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Hier kannst du Running Rivers unterstützen.



Während wir alle sehnsüchtig auf die Rückkehr der normalen Wettkämpfe warten, war es trotzdem großartig zu sehen, wie verschiedene Läufer FKTs und Adventure Runs genutzt haben, um sich selbst zu motivieren. Welche dieser Strecken macht dich am meisten an? Hast du eine Lieblings-FKT, die wir hier nicht erwähnt haben? Folge „The Strava Club“ und lass es uns wissen!